Öffentliche Gemeinderatssitzung am 19.07.2006

 

 

"Finanzprobleme nicht hausgemacht"
Einstimmiges Votum für die vorgelegte Jahresrechnung 2005

 

Die wirtschaftliche Lage der Gemeinde Reilingen bleibt auch weiterhin angespannt. Diese aktuelle Erkenntnis ist das Ergebnis der im Gemeinderat vorgelegten Jahresrechnung 2005 unter Berücksichtigung der bereits für das laufende Jahr vorliegenden Finanzdaten.

Für Bürgermeister Walter Klein und die Ratsmitglieder dennoch kein Grund, voller Sorgen und Pessimismus in die Zukunft zu schauen. "Wir brauchen uns nichts vorzuwerfen, denn die Finanzprobleme sind nicht hausgemacht." In Reilingen sei man mit den vorhandenen Mitteln sparsam umgegangen, habe die Ausgaben auf das Nötigste beschränkt. Trotz einer "eindeutig positiven Entwicklung" könnten die tiefroten Zahlen aber nicht zufrieden stimmen.
Schaubild Einnahmen Verwaltungshaushalt
Das Jahresergebnis 2005 sei, so Klein weiter, im Bereich des Verwaltungshaushaltes zwar deutlich besser als die Planvorgaben, aber dennoch habe das geplante Defizit in Höhe von 913.000 Euro nicht vollständig vermieden werden können. "Insgesamt liegen die Ausgaben des Verwaltungshaushaltes um 169.093 Euro über den Einnahmen." Dieses Defizit habe mit Mitteln aus dem Vermögenshaushalt ausgeglichen werden müssen. Dass das eingeplante Defizit um rund 744.000 Euro unterschritten werden konnte, sei, so der Bürgermeister, Mehreinnahmen von 582.000 Euro und Einsparungen in Höhe von rund 162.000 Euro zu verdanken.
Schaubild Ausgaben Verwaltungshaushalt
Wieder einmal hätten der örtliche Handel und das Handwerk dank einer um 488.000 Euro höheren Gewerbesteuerzahlung zum guten Wirtschaftsergebnis beigetragen. "Leider ist dadurch auch die Gewerbesteuerumlage angestiegen." Klein wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass 41 Prozent aller Gemeindeausgaben allein auf die gesetzlich vorgeschriebenen Umlagen (an den Kreis, für den Finanzausgleich und die Gewerbesteuer) zurückzuführen seien. Außerdem würde die hohe Gewerbesteuer des Jahres 2005 die Gemeindekasse im Jahr 2007 zusätzlich belasten: "Wir werden geringere Schlüsselzuweisungen erhalten und müssen gleichzeitig eine höhere Kreis- und Finanzausgleichsumlage bezahlen." Kein Wunder, dass die Ankündigung über eine deutlich höhere Gewerbesteuer für das laufende Jahr (im ersten Halbjahr bereits rund 986.000 Euro über dem Planansatz) nur bedingt Freude am Ratstisch auslöste.
Diagramm Einnahmen Vermögenshaushalt
Kritisch auch der Blick in den Vermögenshaushalt, dessen Ausgaben für Investitionen die Einnahmen um knapp 270.000 Euro überstiegen. "Dieser Betrag musste aus der Allgemeinen Rücklage entnommen werden." Dies bedeutet, dass nun das "Sparbuch" der Gemeinde mit einem "Guthaben" von nur noch rund 175.000 Euro über dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststand nahezu aufgebraucht ist. "Bei einer Pro-Kopf-Verschuldung von 723 Euro und Vermögenswerten der Gemeinde von je 7.500 Euro je Einwohner steht Reilingen im Vergleich zu anderen vergleichbaren Gemeinden noch recht gut da", resümierte Bürgermeister Klein zum Abschluss seiner Ausführungen.

Die Spargelgemeinde werde weiterhin "eisern sparen" und mit den vorhandenen Mittel wie bisher klug und weitsichtig umgehen müssen, um mit einem hoffnungsvollen Optimismus in die Zukunft schauen zu können.
Diagramm Ausgaben Vermögenshaushalt
Der Dank des Gemeinderates galt Bürgermeister Walter Klein, Gemeindekämmerer Ulrich Landwehr und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gemeindeverwaltung und Bauhof für deren Sparsamkeit und vorbildlichen Einsatz zum Wohl der Gemeinde gerade in diesen schwierigen Zeiten.
 

 

Gewinne bei KWG und Eigenbetrieb Wasserversorgung
Abwasserbeseitigung schließt mit Defizit

 

Neben der Feststellung der Jahresrechnung des Gemeindehaushalts für 2005 standen während der letzten öffentlichen Gemeinderatssitzung vor der Sommerpause auch die Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sowie der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft auf der Tagesordnung. Bürgermeister Walter Klein erläuterte zunächst das Rechnungsergebnis der kommunalen Wasserversorgung, das einen Jahresgewinn von 3.306 Euro ausweist. „Eigentlich hatten wir ja mit einem Jahresverlust von 15.000 Euro gerechnet“, zeigte sich das Gemeindeoberhaupt zufrieden. Die um die Ertragszuschüsse reduzierte Bilanzsumme beträgt für 2005 nunmehr 763.382 Euro, woraus sich eine Eigenkapitalquote von 31,01 Prozent ergibt. Diese ist seit 1997 (19,39 Prozent) kontinuierlich gewachsen und beweist die erfolgreiche Arbeit des kommunalen Eigenbetriebs Wasserversorgung. „Da keine Gewinne kalkuliert sind, zahlen die Bürger nur die reinen Kosten der Wasserversorgung“, machte Klein deutlich, der aber zugleich nach langer Preisstabilität eine Gebührenerhöhung für die kommenden Jahre ankündigte. „Die Gebühren müssen an die aktuelle Entwicklung angepasst werden.“

Nicht so erfolgreich dagegen der Jahresabschluss des Eigenbetriebs Abwasserbeseitigung: Anstatt des eingeplanten Jahresverlustes von 68.000 Euro musste Bürgermeister Klein eine Ergebnisverschlechterung von 19.172 Euro bekannt geben. Somit steht jetzt für 2005 ein Verlust von 87.172 Euro zu Buche. Dennoch löste die Verlustbekanntgabe am Ratstisch keine große Verwunderung aus, denn im Rahmen der deutlichen Gebührenreduzierung zum 1. Januar 2005 wurde ein Jahresverlust erwartet. Damals hatte der Gemeinderat die Abwassergebühren von 1,79 Euro pro Kubikmeter auf 1,65 Euro gesenkt.

Trotz des Jahresverlustes können wegen der Gewinne aus den Vorjahren immer noch rund 45.661 Euro als neuer Gewinnvortrag nach 2006 übertragen werden. Bedenklich dagegen die Eigenkapitalquote der Reilinger Abwasserbeseitigung: Diese sank von einst 28,64 Prozent (1997) auf nunmehr nur noch 0,93 Prozent.

Die im alleinigen Besitz der Gemeinde Reilingen befindliche Kommunale Wohnungsbaugesellschaft mbH hat sich seit ihrem Bestehen zu einem florierenden Wirtschaftsunternehmen entwickelt, das mit einer Bilanzsumme von über 2,72 Millionen Euro inzwischen zu den größten Gewerbesteuerzahlern der Gemeinde gehört. Nach zunächst verlustreichen Anfangsjahren hatte 2004 der Gewinn der KWG über 611.000 Euro betragen. Und auch das Wirtschaftsjahr 2005 konnte mit einem Jahresgewinn von immerhin 33.903 Euro abgeschlossen werden. Walter Klein: „Die in den vergangenen Jahren eingeleiteten Konsolidierungsmaßnahmen wirken sich im Jahresabschluss 2005 erneut positiv aus.“

Abschließend teilte er dem Gemeinderat noch mit, dass die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der KWG-Geschäftsführung wegen der bisherigen ordnungsgemäßen Geschäftsführung für die Wirtschaftsjahre 2005 und 2006 erst im Jahr 2007 durch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg erfolgen wird.

Schaubild Entwicklung Zuführungsraten an den Vermögenshaushalt

 

Stellungnahmen der Fraktionen


Die Ratsfraktionen stimmten zwar einstimmig der überraschend guten Jahresrechnung 2005 zu, machten zuvor aber in ihren Stellungnahmen immer wieder deutlich, mit der finanziellen Situation und dem damit verbundenen geringen Handlungsspielraum nicht zufrieden sein zu können.

CDU-Sprecher Klaus Benetti war mit dem Jahresergebnis in Anbetracht der schlechten Planungszahlen sehr zufrieden. Allerdings lebe die Gemeinde von der Substanz, da viele Ausgaben und Einnahmen nicht direkt beeinflusst werden können. Er bemängelte, dass aus dem Vermögenshaushalt keine projektbegleitenden Gesamtkosten ersichtlich sind und regte aufgrund der günstigen Baupreise an, Einsparungen für andere Vorhaben zu verwenden.

FW-Sprecher Friedrich Feth war mit dem Rechnungsergebnis unzufrieden, weil erstmals nicht nur ein planerisches, sondern auch ein rechnerisches Defizit erwirtschaftet wurde und die Gemeinde keine Eigenfinanzierungskraft hat. Außerdem sei der Fehlbetrag im Vermögenshaushalt durch eine falsche Verwaltungsstrategie hausgemacht. In einem Workshop sollte beraten werden, wie die Einnahmesituation verbessert und das Defizit der Hauptverlustbringer reduziert werden könne.

Für die SPD-Fraktion verglich Sprecher Dieter Rösch den Gemeindehaushalt mit der Odysee. Man habe keine eigenen Lenkungsmöglichkeiten, sondern werde von externen Faktoren geführt. Er bedauerte, dass viele Ideen wegen Geldmangels nicht umgesetzt werden könnten.

GR Peter Schell mahnte für die FDP-Fraktion eine Begrenzung der Ausgaben an. Auch seien die Umbauten der letzten Jahre zu groß erfolgt, so dass die Gemeinde jetzt mit erhöhten Folgekosten kämpfen müsse.
 


Neuer Einkaufsmarkt soll in Ortsmitte gebaut werden


Um den geplanten Neubau eines großen Einkaufsmarktes mitten im Ortsgebiet von Reilingen auch realisieren zu können, stimmte der Gemeinderat ohne Gegenstimme für die Aufstellung des Bebauungsplanes "Sondergebiet Einzelhandel". Mit der Zustimmung ist zugleich eine frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden vorgesehen. Um mögliche Einwände bereits frühzeitig erörtern zu können, wird es eine zweiwöchige Planoffenlage geben.

Der Bebauungsplan sieht die Errichtung eines Einkaufsmarktes mit rund 1.200 Quadratmetern Verkaufsfläche im Bereich des bisherigen HL-Marktes vor. Die Erschließung des Marktbereiches soll zukünftig nicht nur von der Hauptstraße aus erfolgen, sondern auch vom Fröschauweg her. Somit wird auch eine optimale Andienung durch die Lkws und Sattelschlepper der Zulieferer möglich, für die eine spezielle Rampe errichtet werden wird. Nachdem die für den Neubau erforderlichen Grundstücke inzwischen alle im Gemeindebesitz sind, erhoffen sich Bürgermeister und Gemeinderat eine schnellstmögliche Umsetzung der Pläne. "Mit diesem Einkaufsmarkt in der Reilinger Ortsmitte sichern wir nicht nur die wohnungsnahe Grundversorgung der Bevölkerung, sondern berücksichtigen auch die Veränderungen der Altersstruktur in unserer Gemeinde", verdeutlichte das Gemeindeoberhaupt die Notwendigkeit des Projektes.

 

Bebauungsplan Holzrott, 4. Abschnitt soll geändert werden


Ebenfalls mit der Zunahme der älteren Bevölkerung beschäftigte sich ein weiterer Tagesordnungspunkt. Um dem steigenden Bedarf an Pflegeplätzen zu entsprechen, möchte der Betreiber eines bereits seit Jahren in Reilingen bestehenden privaten Altenpflegeheims seine Einrichtung erweitern. Da dies am bisherigen Standort nicht möglich ist, hatte sich die Gemeindeverwaltung in den letzten Wochen um eine entsprechende Lösungsfindung bemüht. Fündig wurde man nun im vierten Bauabschnitt des Neubaugebiets "Holzrott" am Ortsrand in Richtung Hockenheim. In der Heinrich-Böll-Straße soll für das Altenpflegeheim mit seinen 49 Betten ein zusammenhängendes Gebäude mit einer Hauslänge von 57 Metern entstehen, mit einer rückwärtigen Erschließung vom Alten Rottweg her.

Da der bisherig gültige Bebauungsplan "Holzrott, 4. Abschnitt" nur den Bau von Doppelhaushälften und Reihenhäusern vorsieht, musste der Gemeinderat über eine entsprechende Änderung entscheiden. Bürgermeister Walter Klein stellte zunächst fest, dass in Wohngebieten wie im "Holzrott" Altenpflegeheime grundsätzlich zulässig seien – vorausgesetzt, der bestehende Bebauungsplan werde dem Projekt angepasst und die Bauvorschriften entsprechend geändert.

Im Gemeinderat war man sich über eine frühzeitige Bürgerbeteiligung einig. "Wir treffen hier keine Ad-hoc-Entscheidung, sondern bieten den Anwohnern die Gelegenheit, bereits in der Planungsphase ihre Bedenken vorzubringen", so Bürgermeister Klein vor der Abstimmung. Der Gemeinderat sprach sich mit deutlicher Mehrheit für den Neubau eines Altenpflegeheims im "Holzrott" aus.

Ehe die Sitzung mit einem nichtöffentlichen Teil fortgesetzt wurde, regte SPD-Sprecher Dieter Rösch an, auf der Reilinger Gemarkung alle Flächen zu ermitteln, die wieder entsiegelt und damit naturnah zurückgebaut werden können. Ein Vorschlag, der allgemein auf Zustimmung stieß.